Wandel des Norderoogsands

Dass das Wattenmeer ein dynamischer Lebensraum ist, dürfte für die meisten Leser:innen unter Euch wohl weder eine neue, noch überraschende Information sein. Durch den Einfluss von Wind, Wellen und Gezeiten verändern sich die Wattflächen und die ihnen zugrundeliegenden klein- und großflächigen Strukturen kontinuierlich. Je nachdem, welchen Wind- und Strömungsverhältnissen die Wattflächen und Priele ausgesetzt sind, können diese Veränderungen stärker oder schwächer und schneller oder langsamer ausfallen. Dass sich z.B. Prielverläufe von Jahr zu Jahr um etliche Meter verschieben können, ist keine Seltenheit. Auch wenn das Wattenmeer auf den ersten Blick irgendwie immer gleich aussehen mag (naja, eine sehr große Matschfläche eben) ist hier v.a. eines beständig: der Wandel. Neben den Kriterien „jung und ursprünglich“ sowie „Vielfalt des Lebens“ war auch das Kriterium „wo Naturkräfte walten“ ein ausschlaggebender Punkt dafür, den Nationalpark Wattenmeer 2009 auch noch zum UNESCO Weltnaturerbe zu erklären.

 

Nun ist Norderoog geradezu perfekt dafür geeignet, diesen stetigen Wandel mitzuerleben und zu dokumentieren. Vom Umlauf der beiden Hütten hat Mensch einen 360° Premium-Ausblick sowohl über die Hallig, als auch über die Wattflächen und kann als Vogelwart:in nicht nur den täglichen, sondern auch den saisonalen Wandel über das Jahr hinweg beobachten. Und das zurzeit sehr deutlich, denn eines ändert gerade sehr stark seine Gestalt: der Norderoogsand.

 

Als ich vor drei Jahren das erste Mal auf Norderoog war, war ich schon damals beeindruckt davon, dass „der Sand“ ja gar nicht so weit von der Hallig entfernt ist und dass es im Westen zwischen der Hallig und dem Norderoogsand eigentlich keine reinen Wattflächen mehr gab. Die westlichsten Lahnungsfelder, die bereits etwas zugesandet waren, ließen diesen Wandel für sich sprechen. Noch mehr allerdings staunte ich jetzt im März bei meiner Ankunft auf Norderoog, denn v.a. der nordöstlichste Zipfel des Sandes befindet sich nun wesentlich weiter östlich bzw. näher an der Hallig. Auch dieser Wandel ist nun weder verwunderlich noch überraschend, denn gerade die drei Außensände Süderoogsand, Norderoogsand und Japsand sind den Kräften des überwiegend aus Westen bzw. Nordwesten kommenden Windes stetig ausgesetzt und wandern bereits seit Jahrzehnten langsam Richtung Osten.

 

Beeindruckend ist dieser Wandel ohnehin, aber v.a. das Tempo und die Art und Weise, wie diese Veränderung gerade vonstatten geht, ist besonders faszinierend. Denn es scheint kein stetiges, gleichmäßiges Wandern des Norderoogsandes zu sein, sondern Einzelereignisse die oftmals innerhalb weniger Stunden den Sand weiter Richtung Osten bewegen. Das erste deutliche Ereignis dieser Art fand Anfang letzten Jahres um den 11. Februar statt. Infolge tagelanger erhöhter Wasserstände und starker Strömungen sandete der Priel, der damals noch im Westen zwischen Norderoog und dem Norderoogsand verlief, komplett zu, sodass der Sand nun die Westspitze der Hallig erreicht hatte (vgl. Hennig, V. (2020): Pegelprojekt Hallig Norderoog – erste Erfahrungen, Messdaten und Planungen. Universität Hamburg/Verein Jordsand/Nationalpark SH).

Norderoog mit dem vorgelagerten Norderoogsand im Juli 2020 (Foto: Veit Hennig). Hinweis: Das Foto wurde während eines genehmigten Überflugs zur Brandgans-Zählung aufgenommen.

Dieser Wandel scheint sich nun fortzusetzen, denn alleine jetzt im April konnte ich drei Mal dabei zusehen, wie unter dem Einfluss von Nordwestwinden der nordöstlichste Zipfel des Norderoogsandes sichtbar um mehrere Meter nach Osten wanderte. Zwar scheinen dies „nur“ starke Sandverwehungen gewesen zu sein, die ein dauerhaftes Liegenbleiben auf den neu errungenen Flächen erstmal nicht ermöglichten, aber was sich dann letzte Woche Donnerstag ereignete, zeigt, wie schnell es auf einmal gehen kann, wenn der Grundstein erstmal gelegt ist: Wieder sorgte starker Wind aus Nordwest dafür, dass über mehrere Stunden Sandverwehungen über das Watt im Norden der Hallig fegten – diesmal allerdings so intensiv und ausgeprägt, dass auch nach etlichen Tiden dem Watt nach wie vor Sand aufliegt und dieser insbesondere in den nordwestlichen Lahnungsfeldern seine Spuren hinterlassen hat. Wie nach Schneeverwehungen hat sich dort nun der Sand festgesetzt und teilweise die kompletten äußeren Lahnungsfelder zugesandet. Auch der „Hauspriel“, der vom Rummelloch (ein großer Priel zwischen Hooge / Norderoog und Pellworm) Richtung Norderoog führt und ohnehin schon sehr flach war, ist nun auf den ersten 200 m nördlich der Hallig nochmals flacher geworden.

Links: im Vordergrund der zugesandete Priel. Rechts: die Wattflächen am Tag danach (Fotos: Sebastian Blüm).

Kam es mir schon bei den ersten beiden „Wander-Ereignissen“ des Sandes so vor, als könne ich meinen Augen nicht mehr trauen, dachte ich das diesmal erst recht und war wirklich sprachlos, als ich letzten Donnerstag auf Höhe des Anlegers auf einer zentimetertiefen Sandschicht lief, wo ich normalerweise im Schlick feststecke. So viel Sand wie zum Zeitpunkt des Tathergangs liegt zumindest großflächig nicht mehr auf dem Watt, dennoch ist eine Veränderung gerade der Wattoberfläche nach wie vor zu erkennen – und in den Lahnungsfeldern werden diese Veränderungen noch viel länger zu sehen sein.

Wie alles in der Ökologie wird auch das vielfältige Konsequenzen haben, aber eines scheint absehbar: Der Sand kommt immer näher an die Hallig heran und wird damit auch die für die Watvögel besonders wichtigen, nahrungsreichen Schlickwattflächen übersanden. Es ist davon auszugehen, dass dies vor Ort insbesondere für die Austernfischer und Rotschenkel zu verknappten Nahrungsressourcen führen wird und diese somit mehr Energie aufwenden müssen, um an andere, weiter entfernt liegende Nahrungsflächen zu gelangen, was v.a. zur Brutzeit negative Auswirkungen auf den Bestand haben könnte. Dies wird sich möglicherweise in den kommenden Jahren auch im Bruterfolgsmonitoring insbesondere dieser beiden Arten auf der Hallig zeigen. Vorerst werde ich nun aber erst einmal dokumentieren, in welchen Bereichen im Watt die Austernfischer nach Hochwasser bevorzugt nach Nahrung suchen. Eventuell wird sich dann bereits zeigen, dass sie die besonders sandigen Bereiche im (Nord-)Westen der Hallig meiden. Darüber hinaus möchten Dr. Veit Hennig von der Universität Hamburg und ich nach der Brutzeit mithilfe von Stechrohren im Watt systematisch erfassen, wie sich v.a. die Oberflächenbereiche des Watts nördlich von Norderoog Richtung Hooge verändern. Dazu dann im Sommer mehr.

 

Also: Nichts ist beständig – nur der Wandel. Auch das Brutgeschehen der Brutvögel auf Norderoog ist gerade täglich im Wandel. Darüber wird’s dann in der nächsten Ausgabe gehen. Nur schonmal so viel: Die Flussseeschwalben sind schon fleißig am Probeliegen!

 

Dynamische Grüße von Norderoog, Euer Sebastian

Kontakt

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